Historie

Vom Gartenfeld zur Neustadt – und wieder zurück in den Garten

Wo heute die Mainzer Neustadt mit ihrem charakteristischen Straßenraster, den grünen Plätzen und urbanem Leben pulsiert, zeigte sich noch vor gut 150 Jahren eine ganz andere Seite der Stadt: das sogenannte Gartenfeld – eine Zone außerhalb der Festungsmauern, durchzogen von Wiesen, kleinen Wäldchen und Nutzgärten. Dieses Gebiet diente der Versorgung der Mainzer Bevölkerung und Garnison mit Obst und Gemüse und war zugleich beliebtes Ausflugsziel mit Gartenlokalen und dem bekannten Schützenhaus.

Zwar lebten dort bereits rund 3.000 Menschen, vor allem Arbeiter und Handwerker, doch dauerhafte Bebauung war in der sogenannten Rayonzone, dem militärischen Sperrgürtel vor der Stadt, verboten. Die Bewohner lebten in provisorischen Holzbauten – ein sichtbarer Ausdruck der sozialen und räumlichen Begrenzungen, denen Mainz als Festungsstadt unterworfen war. Gleichzeitig spiegelte sich im Gartenfeld das Spannungsverhältnis zwischen militärischen Interessen und dem wachsenden Bedürfnis nach Wohn- und Lebensraum für eine rapide zunehmende Stadtbevölkerung.

Erst nach langwierigen Verhandlungen konnte 1872 mit dem Preußischen Kriegsministerium – später dem Deutschen Reich – ein Vertrag geschlossen werden: Mainz durfte die alten Festungswälle niederlegen und das Gartenfeld bebauen. Diese Entscheidung markierte den Anfang der Stadterweiterung und die Geburt der Mainzer Neustadt. Unter Stadtbaumeister Eduard Kreyßig entstand ein modernes, schachbrettartiges Viertel mit großen Nord-Süd-Achsen, begrünten Boulevards wie der Kaiserstraße und neuen städtebaulichen Visionen. Doch trotz aller Umgestaltung: Der Name „Gartenfeld“ blieb – als Erinnerung an die ursprüngliche Nutzung und Bedeutung des Areals.

Fast 150 Jahre später knüpft ein besonderes Projekt genau an diesen historischen Ursprung an: unser Urban Gardening Projekt Neustadtgarten Gartenfeld in der Forsterstraße. Auf einer rund 400 m² großen städtischen Fläche wird hier wieder gemeinsam gegärtnert – ganz wie einst, als das Gartenfeld die Stadt mit Lebensmitteln versorgte. Doch heute geht es nicht nur um Selbstversorgung. Das Projekt schafft auch Raum für Begegnung, Bildung und Nachhaltigkeit mitten in der Stadt. Obst, Gemüse, Kräuter und Blumen wachsen hier in Mischkultur, gepflegt von einer vielfältigen Nachbarschaft. Der Garten ist offen für alle und lebt vom gemeinschaftlichen Engagement.

So schließt sich ein historischer Kreis: Aus dem ehemaligen Gartenfeld entstand ein urbanes Stadtviertel – und mitten in dieser gewachsenen Stadtlandschaft lebt heute wieder der Gedanke von Gemeinschaft, Ernährungssouveränität und grünem Engagement auf.

Der Neustadtgarten ist mehr als ein Garten: Er ist ein lebendiger Erinnerungsort und ein Beispiel dafür, wie sich Vergangenheit und Zukunft im städtischen Raum verbinden lassen. Aus der Geschichte erwächst neues Leben – Beet für Beet.

Quellen:
https://www.mainz-neustadt.de/geschichte.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Mainz-Neustadt